Islands Rache?

Kaum ein anderes Land wurde durch die Finanzkrise derart heftig und bis an die Wurzeln getroffen wie Island. Die unkontrollierte und somit ungebremst aus den Fugen geratene freie Marktwirtschaft blendete ein ganzes Land, und der unkritische Glaube an das ewig währende Wachstum stürzte eine ganze Volkswirtschaft an den Rand des Abgrundes.

Was liegt da näher, als sich als betroffener Staat mit Hilfe seiner ihm verbleibenden Möglichkeiten an den in seiner Reichweite liegenden und für den Absturz mitverantwortlichen Staaten zu rächen ?

Absurd, oder ? Sicherlich für alle Rationalisten und kritischen Geister.

Andererseits hat es in meinen Augen auch etwas reizvolles, sich vorzustellen, dass die Erschütterung dieser Nation derart bis in deren Untergrund gereicht hat, dass sich sogar ihre Naturgewalten schlussendlich gegen die globale Misswirtschaft gewehrt haben …

Haben diese zwei Ereignisse wirklich etwas gemeinsam ?

– Blind machende Gewinnsucht einiger westlicher Schlüssel-Banker bringen die gesamte Weltwirtschaft innert Wochen für Monate bis Jahre an den Rand des Ruins – die ganze Welt hängt dank der Globalisierung davon ab und leidet bis heute darunter.

– Ein Vulkan in Island bricht aus und lähmt mit seiner kilometerhohen Staub- und Russwolke über Tage den gesamten Luftraum über Europa. Wegen der globalen Vernetzung können nebst dem Grounding aller europäischen Luftfahrtgesellschaften mit konsekutivem Stillstand des Tourismus und dem Business-Fliegen ganze weitere Industriezweige nicht weiterarbeiten, und benachbarte Kontinente wie Afrika können ihre Produkte nicht mehr auf den Markt bringen.

– Und …

… vor nicht allzu langer Zeit hat eine fehlschaltungsbedingte Überlastung einer internationalen Starkstromleitung die ganze SBB über fast einen Tag lahmgelegt.

… im September 2001 haben zwei entführte Passagierflugzeuge die Welt bis heute spürbar verändert und politisch radikalisiert.

Es gibt kaum mehr politische, soziale, wirtschaftliche oder natürliche Ereignisse, die sich infolge der Globalisierung und totalen Vernetzung und Verfilzung nicht irgendwie auf uns alle auswirken, fänden sie auch in noch so entfernten Winkeln unserer Erde statt.

Wir leben in einem extrem labilen Zustand, den Polit-Jongleure wie Obama, Putin und andere Mächtige unserer Zeit nur sehr bedingt im Gleichgewicht halten können.

Zu unserem Glück hat die Natur selbst eine grosse Selbstheilungstendenz, und zum Glück ist uns das Ausmass dieser Gefahren kaum je in vollem Ausmass bewusst.

Wie tröstend, erfrischend und Zuversicht spendend ist demgegenüber doch jedes Jahr wieder das erstaunliche Erwachen der Natur im Frühling, das all diesen Widerwärtigkeiten trotzt: die ersten Schneeglöggli im noch nackten Garten verkünden sein Nahen. Der unerwartete erste Pfiff des Frühlingsvogels ist Balsam für die Seele. Zaghaft spriessen weitere Blumen in den langsam grün werdenden Wiesen, und die Bäume schicken sich an, ihre Winterkahlheit mehr und mehr mit einem frischen grünen Kleid zu füllen. Und wenn uns die Bienen schlussendlich mit Hilfe wunderschöner Blütenfeldern ihren Nektar schenken, scheint uns der Mikrokosmos endgültig im Gleichgewicht zu sein.

Carpe diem – geniessen wir jeden uns geschenkten Frühlingstag und schöpfen daraus Kraft, Freude, Hoffnung und Zuversicht.

Dr.med. Jürg Naef, Herzogenbuchsee