Panem et circenses

Mit Sicherheit haben diese Machtstrategie nicht erst die Römer erfunden, obschon der römische Schriftsteller und Satiriker Juvenal (um Christi Geburt) ihr mit seinem Ausdruck zur Berühmtheit verholfen hat. Werden in einer Masse oder in einem Volk die Grundbedürfnisse nach Nahrung und Unterhaltung gestillt, können die Machthaber ihre Ziele uneingeschränkt verfolgen.

Seit es dauerhafte menschliche Ansammlungen, Gemeinschaften, Stämme oder Völker gibt, haben Mächtige sich dieses Prinzips bedient, um Gegner und Oppositionen zu marginalisieren und die Massen zu einen und auf ihre Seite zu bringen.

Olympische Spiele, von den alten Griechen als reines Kräftemessen individueller Sportler konzipiert mit dem Ziel, den Besten zu erküren, wurden und werden laufend zu innen- und aussenpolitischen Zielen missbraucht.

1933 konnte der Propagandaminister Goebbels Hitler davon überzeugen, die Olympischen Spiele von 1936 in Berlin mit Millionenbeträgen als Prestige- und Propagandaobjekt für das aufstrebende dritte Reich zu missbrauchen – und 2008 taten es die Chinesen den Nazis gleich. Sie investierten Milliarden für den Pomp „ihrer“ monströsen Spiele, um mit ihnen sich und der Welt den Glanz und den Glamour ihres friedlichen und fortschrittlichen Reiches vorzutäuschen.

Wenn Italien Fussballweltmeister wird, dann gibt es keine frustrierten Norditaliener mehr, die sich vom Süden absondern wollen; keine kämpferischen Gewerkschaftler und Kommunisten mehr, die den korrupten Machtblock in Rom bekämpfen – dann gibt es nur noch ITALIENER. Und wenn Roger Federer einen weiteren Grand Slam gewinnt, dann sind wir alle wieder gern Schweizer, sogar die ewigen „Nicht-Schweizer“ in gewissen intellektuellen  Kreisen.

Eine Art „Panem et circenses“ sind heute aber auch Bedrohungen von aussen wie Naturkatastrophen, Konflikte und gar Kriege, die dank modernster Kommunikationstechnik in unseren Stuben stattfinden. Begonnen hat es mit dem Falkland-Krieg, den wir 1 zu 1 zu hause im bequemen  Sessel mitverfolgen konnten. Mit den beiden Kriegen gegen den Irak wurde dieses schreckliche Schauspiel fortgesetzt. Der erste vermochte den Westen zu vereinen, und der zweite war zu Beginn innenpolitischer Kitt für die kriegführende USA.

Auch die an und für sich unglaubliche (und trotzdem zirkulierende) Theorie, „nine elven“ sei ein geheimes Machwerk der korrupten und schwachen Administration Bush gewesen, gehörte ins traurige Kapitel dieser speziellen Art „panem et circenses“… dies mit dem Ziel innenpolitischer Machtfestigung und Legitimierung undemokratischer und totalitärer Sondergesetze und zum Initiieren neuer Konflikte im Osten.

Kehren wir zur Gegenwart zurück. Wie schön und tröstend ist doch die Tatsache, dass dies alles der Vergangenheit angehört und wir und die Welt endlich weiser geworden sind. Und dass wir und die ganze Weltgemeinschaft uns endlich ungetrübt und ohne Skrupel über die aktuelle Fussballweltmeisterschaft in einem friedlichen, einträchtigen und harmonischen Land wie Südafrika freuen dürfen …

 

Dr. med. Jürg Naef, Herzogenbuchsee